Mit dem richtigen Analysewerkzeug datenbasierte Entscheidungen treffen

Viele Daten bleiben im produzierenden Mittelstand heute ungenutzt. Sie liegen in Datensilos brach, an verschiedensten Standorten, in heterogenen Apps und Datenbanken. Und das Volumen steigt weiter rasant an. Wir wissen, dass Industrie 4.0 mit allen damit verbundenen digitalisierten Prozessen und Maschinen gigantische Datenmengen erzeugt. Allein die vernetzten IoT-Geräte sammeln Daten in einem bisher nicht bekannten Umfang. Weitere Daten liegen in unterschiedlichen Systemen innerhalb des Betriebs: im MES, ERP, SCM, PLM, CRM und Data Hub. Die spannenden Fragen dazu lauten:

  • Wie gehen Unternehmen mit dieser explodierenden Datenmenge heute um?
  • Wie lassen sich mit Daten aus MES und anderen Systemen aussagekräftige Analysen und konkrete Vorteile ableiten?

Das Gute vorneweg: Mit smarter Software und modernen Analysetools kann heute auch jedes mittelständische produzierende Unternehmen die Vorteile von Big Data und Industrie 4.0 effizient nutzen und sich durch datengestützte Entscheidungen eine wettbewerbsfähige Marktposition sichern. Doch wie funktioniert das konkret?

Seriöse Analysen erfordern zunächst einen vollständigen Datenüberblick: Es muss bekannt sein, wo sich welche Maschinen- und Unternehmensdaten innerhalb des Betriebs befinden und wo neue Daten entstehen. Durch Integration aller bestehenden Datenquellen können alle Informationen gesammelt und aufbereitet werden. Ohne Datenlücken. Mit dem richtigen Tool-Set an der Hand und sorgfältig ausgewählten Kennzahlen lassen sich dann datenbasiert fundierte Reports und Analysen als Entscheidungsgrundlage erstellen und eine Menge messbarer Vorteile erzielen.

Maschinen- und Unternehmensdaten zentral erfassen und aufbereiten

Industrie 4.0 Lösungen bieten heute erweiterte und neue Möglichkeiten der Automatisierung und Datenerfassung. Bei Bedarf lassen sich Shop-Floor-Daten mit MES, weitere Maschinen- und Unternehmensdaten aus unterschiedlichen Systemen über eine Datendrehscheibe miteinander verknüpfen und in Echtzeit abrufen. Für einen Gesamtüberblick ist es unabdingbar, dass die Daten nicht nur aus IoT-Maschinen und Produktionsanlagen gezogen und verarbeitet werden. Es gilt, on top Daten aus bestehenden Businessanwendungen anderer Geschäftsbereiche neben der Fertigung heranzuziehen, beispielsweise aus Backoffice und Lager. Die Daten lassen sich über eine unabhängige Software über Konnektoren integrieren, bis die Systeme automatisch Daten austauschen. Ganz egal, wo sie sich innerhalb der Wertschöpfungskette befinden. Umständliche Techniken wie manuelle Synchronisation oder das Kopieren zwischen den Systemen entfallen. Unternehmen erhalten maximale Flexibilität. Darauf aufbauend lassen sich Daten für die Ermittlung von Kennzahlen verwenden, die für Produktion und Betrieb entscheidend sind.

Das Geheimnis von Datensilos lüften

Das Vorhandensein aller gesammelten Daten ermöglicht den entscheidenden Blick in die „Black Box“. Je nach Funktion und Einsatzgebiet lassen sich mit der passenden Industrie 4.0 Software alle Daten für verschiedene Personen aufbereiten. So benötigt ein Maschinen- und Anlagenbediener Echtzeit-Auswertungen für den Vergleich des Soll- und Istzustands beim Schneiden von Gewinde während der Werksleiter Reports zur Qualitätsüberwachung im Serienprozess nutzt. Die Geschäftsleitung erhält Prozessverläufe und Analysen zur Ertragskraft und finanziellen Stabilität des Betriebs visuell und mobil dargestellt. Das ermöglicht ein besseres Verständnis der Trends und Prognosen in Echtzeit und lässt die Betroffenen bei Bedarf zeitnah handeln. Von Vorteil ist es, wenn sich Dashboards und Ergebnisse neben dem Desktop auch auf den gängigen mobilen Geräten wie dem Tablet oder auf einer mobilen App einsehen lassen.

Auf die richtigen Kennzahlen kommt es an

Denn Sie wissen nicht, was Sie nicht wissen. Das muss nicht sein. Denn trotz riesiger Datenmengen und heterogener Datenquellen lassen sich heute mit sorgfältig ausgewählten Kennziffern und den passenden Analysemethoden exakt die benötigen Informationen abrufen, die ein Produktionsmitarbeiter, der Werksleiter oder die Geschäftsführung zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigen. Irrelevante Informationen lassen sich herausfiltern und verhindern ein verfälschtes Ergebnis. KPI Auswertungen erlauben Rückschlüsse über den Fortschritt oder auch des Ausbleibens.

Die Wahl der richtigen Kennzahlen für das Unternehmen und die passenden Metriken zu deren Überwachung sind entscheidend, um einen Übergang zu Industrie 4.0 erfolgreich zu gestalten. Entscheidend ist zunächst die Frage nach dem „was“: Was genau soll in meinem Betrieb gemessen werden? Je nach Definition der KPIs für Produktion, Bestandsmanagement, Distributionslogistik oder den Gesamtbetrieb stehen eine Vielzahl an Kennzahlen zur Verfügung. Zu den zentralen KPIs im Mittelstand gehören unter anderem Gesamtanlageneffektivität (GAE), Lagerbestand, Kapitalbindung und Liefertreue.

Zeit zum Handeln und Verbessern

Im Gegensatz zu Momentaufnahmen und kurzfristigen Lösungen lassen sich mit modernen Analysetools auch Langzeitauswertungen aufsetzen, deren Ziel strategisch angesetzte Verbesserungsmaßnahmen für einen bestimmten Bereich oder für das gesamte Unternehmen sein können. Moderne Industrie 4.0 Lösungen sind auch zur Prozessteuerung- und Automatisierung einsetzbar. Unternehmen können für jedes Szenario Handlungsschritte auf Basis von Echtzeitdaten ableiten, ohne im Vorfeld bestehende Infrastrukturen kostspielig auszutauschen und aufwändige Investitionen zu treffen.

An der Produktivität und Auslastung von Maschinen schrauben und GAE erhöhen

Mit der Gesamtanlageneffektivität (GAE) lässt sich in der Produktion die Wertschöpfung einer Anlage beschreiben. Die Kennzahl ergibt sich aus dem Vergleich der tatsächlichen mit der potenziellen Verfügbarkeit, Leistung und Qualität einer Anlage. Das Erfassen und anschließende Multiplizieren dieser drei Faktoren führt zur GAE. Wichtige Aspekte sind geplante und kurzfristige Stillstände, Pausen, Störungen, Rüstvorgänge, verringerte Geschwindigkeiten und die Menge der einwandfrei produzierten Waren in Relation zum Ausschuss. Mit Industrie 4.0 Lösungen können Betriebe die Auslastung ihrer Maschinen verfolgen und Schwachstellen identifizieren. Ausschuss und Ausfälle lassen sich in Echtzeit dokumentieren und mit dieser Erkenntnis die Gesamteffektivität der Anlage hinsichtlich Produktivität und Auslastung verbessern.

Lagerbestand und Kapitalbindung für das Bestandsmanagement

Lagerbestand und Kapitalbindung sind wichtige Kennzahlen im Bestandsmanagement. Besonders für produzierende Unternehmen mit eigenen Lagerstandorten ist der Lagerbestand relevant. In der Praxis stellt er häufig ein Problem dar, besteht die Herausforderung doch darin, einen zu hohen Unter- oder Überbestand zu vermeiden und eine optimale Performance im Lager sicherzustellen. Fehlen bestimmte Einzelteile oder Rohstoffe wächst das Risiko, dass einzelne Maschinen stillstehen und sich der gesamte Produktionsprozess zeitlich verzögert. Ein zu hoher Lagerbestand bindet wiederum unnötig Kapital und wirkt sich negativ auf die Liquidität aus. Der durchschnittliche Lagerbestand gibt an, wie hoch die Bestände im Laufe eines Geschäftsjahres sind. Die Kennzahl Kapitalbindung zeigt an, wie viele nicht liquide Vermögensgegenstände ein Unternehmen besitzt, dazu zählen Lagerbestände, Maschinen und Anlagen.

Die Liefertreue im Blick und der Kunde bleibt König

Die Kennzahl Liefertreue (auch als Termintreue bezeichnet) ist eine zentrale Kennzahl in der Distributionslogistik und bezeichnet die termingerechte Fertigstellung eines Auftrags. Zu den Gründen für verspätete Auslieferungen gehören u.a. eine fehlerhafte Produktion oder fehlende Teile auf Lager. Die Liefertreue steht für die Lieferzuverlässigkeit eines Produzentens. An keiner anderen Kenngröße wird deutlicher, ob eine Produktion optimal funktioniert. Nicht eingehaltene Liefertermine können Vertragsstrafen zur Folge haben. In jedem Fall beeinträchtigen sie die Kundenzufriedenheit negativ. Erfolgreiche Produzenten handeln heute stark kundenorientiert und stellen den Kunden in den Mittelpunkt ihres Handelns. Kunden verlangen nach immer spezielleren Produktvarianten, flexiblen Preisen, kürzeren Lieferzeiten, einer zuverlässigen und pünktlichen Auslieferung. Um diese ganzen Kundenerwartungen zu erfüllen, helfen kontinuierliches Tracken von Kennzahlen mit der Chance, zeitnah auf Abweichungen zu reagieren.

Mit wenig Aufwand „Low Hanging Fruits“ abgreifen

Halten wir fest: Mit unabhängigen Industrie 4.0 Lösungen lassen sich alle Systeme und Maschinen in einem Betrieb integrieren. Sie konstruieren damit Workflows zum Synchronisieren von Daten aus mehreren Silos und erhalten so in Echtzeit ein umfassendes Bild ohne „Black Box“ und kritischer Datenlücken. Unternehmen werden damit transparenter, agiler und sind auch für plötzlich auftretende Disruptionen wie jüngst dem Coronavirus besser gewappnet.

Sorgfältig ausgewählte Big Data Analysemethoden, Reports und Kennzahlen versetzen Betriebe in die Lage, Geschäftsprozesse zu verbessern, die Effizienz der Lieferkette zu steigern und Faktoren zu identifizieren, die die Produktion beeinflussen. Dabei lassen sich auch die unterschiedlichen Kennzahlen richtig auszubalancieren, die sich häufig konträr zueinander verhalten. Sprich mit einem höheren Lagerbestand lässt sich zwar die Produktivität erhöhen, was jedoch nicht zwangsläufig wirtschaftlich für das Unternehmen sein muss. Industrie 4.0 Lösungen schaffen hier Abhilfe und können über den Daumen gepeilte Prognosen durch fundierte, datenbasierte Entscheidungen ersetzen.

Autor: Stephan Romeder
Dieser Artikel ist in dem Fachmagazin PC & Industrie erschienen (Ausgabe 6/2021).

Empfohlene Artikel

Redaktion
Digitalisierungsgrad steigern: Schluss mit Excel-Listen
Weiterlesen
Torsten Drees
Resiliente Lieferketten in unsicheren Zeiten mit Hilfe von intelligenter Datennutzung
Weiterlesen
Stephan Romeder
Daten managen in produzierenden Unternehmen
Weiterlesen